"... wie es weiterging"

Als Gefangener mußte König Laurin nun zwischen den Rittern reiten und ihnen den Weg zur Jungfrau Kühnhild zeigen.
Sie ritten die ganze Nacht und kamen gegen Morgen auf einen grünen Anger, von wo der Eingang ins Erdinnere führte. Davor standen und saßen Zwerge, musizierten, tanzten und trieben allerlei Spiele. Der Kleine führte seine Begleiter in den Berg hinein, wo es von hellstem Lichterglanz erstrahlte. Schon trat die schöne Kühnhild den Fremden entgegen. Wie groß war ihre Freude, als sie unter ihnen den Bruder erkannte! Flehentlich bat sie ihn, sie aus dem Reich der Zwerge fortzuführen. Und der Bruder versprach es ihr.

König Laurin bat seine Gäste zum einem stärkenden Mahl. Man brachte köstliche Speisen, servierte herrliche Getränke, und die Herren langten nach dem mühevollen Ritt ordentlich zu. Laurin hatte einen betäubenden Schlaftrunk unter den Wein mischen lassen, und es dauerte nicht lange, so dank einer nach dem anderen der Helden in schweren Schlaf. Schnell rief Laurin seine Männer, ließ den Helden die Harnische ausziehen und warf sie als seine Gefangenen in den Turm, der mit gewaltigen Felstrümmern als Türen gesichert war.

Eines Tages lag der König im tiefen Schlaf. Da eilte Kühnhild durch alle Gemächer der Burg, um den Aufenthalt der Gefangenen zu erkunden. Als sie ihr Ohr an einen der Luftschächte des Turmes legte, hörte sie tief unten die Stimmen der Helden. Eilig holte sie die Harnische und Schwerter der Ritter, gab auch sechs Ringlein dazu und band alles an ein Seil, das sie in die Tiefe hinunterließt. Sie rief: "Die Ringe steckt an die Finger, dann werden sich alle Türen vor euch auftun."

Die Helden taten es und sahen bald alle Türen offenstehen. Fröhlich traten sie aus dem Kerker und dankten der wagemutigen Kühnhild. Sie bestiegen ihre Pferde, um das Königreich des treulosen Zwergenkönigs zu verlassen. Währenddessen war Laurin aus seinen Schlummer erwacht, hörte das Rasseln der Harnische und ahnte Gefahr. Sogleich ließ er sein Horn ertönen, welches seine Zwerge zusammenrief.

Nun hob ein Kampf der sechs Helden gegen die Übermacht des kleinen Volkes an, dass der Fels sich rötete vom Blut der geschlagenen Wunden. In dieser Schlacht verlor König Laurin viele seiner Untertanen. Wutentbrannt stieß der König in sein Horn und berief damit sechs gewaltige Riesen aus dem Wald, die nun mit langen stählernen Stangen die Helden niederrangen. Ein furchtbarer Kampf entstand, aber es gelang den Helden, die Riesen zu erschlagen.

Nun wandte sich der Zorn der edlen Ritter gegen König Laurin, sie wollten Rache nehmen für seine Treulosigkeit. Doch die edle Jungfrau Kühnhild bat für den König, der sich milde gegen sie erwiesen hatte; sie schonten daher sein Leben, aber er mußte ihnen seine Schatzkammer öffnen, der sie gewaltige Schätze entnahmen.

Reich beladen kehrten die Helden mit der Jungfrau nach Bern zurück; traurig blickte ihnen der Zwergenkönig nach; ihm war leid um den Verlust Kühnhilds, die er liebgewonnen hatte. Später kam Laurin freiwillig nach Bern und schloß Frieden mit dem Helden Dietrich, der von nun an in Freundschaft mit dem kleinen Mann lebte.

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Der Rosengarten

Noch heute gleicht die Gegend um Bozen, wo König Laurin sein oberirdisches Reich hatte, einem Rosengarten, und ein Teil dieses wilden Felsgebirges führt auch den Namen "der Rosengarten".

Des Abends, wenn die Sonne ihre Strahlen sendet, leuchtet der Fels blutrot, weithin bis ins Tal des Inn sichtbar. Der Harnisch König Laurins wurde bis ins späte Mittelalter im Schloß Tirol verwahrt und war leider eines Tages spurlos verschwunden.

ENDE